Sonntag, 19. März 2017

"Wie geht's dir?" - "Danke, gut!"


So oft werde ich von allen möglichen Leuten gefragt "Wie geht's dir?" und jedes Mal sage ich aus Reflex "Danke, gut... und selbst?". Aber warum sage ich das? Denn im Moment geht es mir in der Tat nicht gut. Aber ich erwarte nicht, dass andere Leute das verstehen, daher behalte ich es lieber für mich. Und meine Familie möchte ich oft auch gerne schonen und beschönige daher das ein oder andere. Aber hier möchte ich jetzt mal ernsthaft darüber nachdenken und mal von Kopf bis Fuß in mich fühlen, wie es mir wirklich geht. An die Arbeit!

Im Kopf ist momentan vermutlich gerade am meisten los. Ich denke unglaublich viel an meine Erkrankung. Ich erinnere mich an die Therapie. Ich habe Angst. Angst vor einem Rezidiv. Ich erfahre von Rezidiven in meinem Bekanntenkreis. Ich reagiere sehr empfindlich auf jedes Wehwehchen und habe Angst, dass das ein Zeichen für ein Rezidiv ist. Ich frage mich, wie mein Leben weiter geht. Ob ich gesund bleibe. Ob ich später mit Nebenwirkungen zu rechnen habe. Und das war nur ein Bruchteil der Gedanken, die mir aktuell durch den Kopf geht. Ich bin manchmal wirklich kurz vor dem Durchdrehen und auch sehr emotional. Ich mache mir wahnsinnig viel Stress, psychischen Stress.

Schon mehrere Jahre leider ich unter Parodontitis und hatte diese, Dank guter Zahnpflege und Zahnreinigungen im Abstand von 4 Monaten, gut im Griff. Aber jetzt ist es wieder schlimmer geworden und ich vermute, dass es zum einen daran liegt, dass ich die Zahnpflege letztes Jahr während meiner Therapie etwas vernachlässigt habe, aber ich könnte mir auch vorstellen, dass die Chemotherapie nicht unbedingt förderlich gewesen ist für mein Zahnfleisch. Aber mal ganz ehrlich... scheiß egal! Schließlich hatte ich Krebs und die Chemotherapie hat mein Leben gerettet.

Die nächste Station wäre mein Hals. Bis gestern noch habe ich mir eingebildet, dass ich geschwollene Lymphknoten am Hals habe. Ständig habe ich gefühlt und war überzeugt, dass ich rechts einen größeren Knubbel spüre. Erst als ich meine Frauenärztin, bei der ich gestern zufällig war, darum gebeten habe, mal zu fühlen, war ich etwas beruhigter.

Meine Stimme schafft es noch immer nicht, gegen laute Musik, z.B. auf einer Party oder einem Konzert, anzukommen. Sie bricht dann einfach weg. Die Probleme mit der Stimme haben nach der Entnahme des Eierstockgewebes begonnen, bei der meine Stimmbänder durch die Beatmung leicht verletzt worden sind und durch die Chemo vermutlich nicht ausreichend schnell wieder heilen konnten. 

Auch meine Speiseröhre reagiert meistens sehr empfindlich auf scharfe Speisen und kratzige Krümel. Durch die Bestrahlung ist die Speiseröhre natürlich in die Schusslinie geraten, aber ich muss sagen, dass ich dennoch großes Glück und während der Bestrahlung keine Probleme hatte.

Der Bereich rund um meine Port-Narbe ist noch immer etwas empfindlich, aber die Schmerzen habe deutlich nachgelassen. Dennoch spüre ich den Muskel oft schmerzhaft, wenn er gedehnt wird. Ein unangenehmes Gefühl. Die Narbe leuchtet noch immer in einem knalligen Rosa, aber die OP ist ja auch erst drei Monate her.

Wenn ich mich nun langsam dem Tumorbereich nähere, so fällt es mir sehr schwer, mein Empfinden verständlich zu beschreiben. Oft spüre ich ein unangenehmes Ziehen, einen stechenden Schmerz in der Region und ich frage mich immer, ob das tatsächlich der Tumorbereich ist, der sich aufgrund der Bestrahlung, bemerkbar macht. Vielleicht ist es aber auch nur ein geklemmter Nerv. Vielleicht ist es aber auch das Herz, das ebenfalls in der Schusslinie der Strahlentherapie war. Wie man schnell erkennt, sind das alles nur wilde Vermutungen von mir, die mir auch niemand sicher beantworten kann. Aber es sind eben Gedanken, die ich mir mache. Wenn auch völlig sinnlos, da ich es eh nicht ändern kann.

Mein Herz das klopft oft wild drauf los. Momentan wieder etwas öfter. Auch bin ich momentan wieder schnell außer Atem, was mir eine große Angst einjagt. Auch ein kleiner Hustenreiz hier und ein Räuspern da, lassen nicht nur bei mir, sondern auch bei meinem Freund, die Sorgenfalten tiefer werden. Husten und Kurzatmigkeit sind zwei Symptome, die auf meine Krebserkrankung hingewiesen haben und daher werden das auch immer Symptome sein, die mir Angst einjagen werden. Jedes verdammte Mal.

Mein Magen hat immer mal wieder Phasen, in denen er sehr empfindlich ist. Momentan schmerzt er sogar richtig. Mein gesamter Bauchbereich ist empfindlich und verhärtet. Ein Besuch bei meinem Physiotherapeuten hat mir bestätigt, dass mein Magen- und Darmbereich sehr verkrampft ist und auf den ein starker Druck ausgeübt wird, durch den die Schmerzen verursacht werden. Er hat alles intensiv massiert und durchgerüttelt und jetzt schmerzt momentan alles noch viel schlimmer. Eine Art Organmuskelkater vielleicht!?

Eine Etage tiefer kommen wir zu dem, vor allem für junge Leute, schwierigen Thema des möglichen Verlusts der Fruchtbarkeit. Meine Periode hat zwar wieder eingesetzt, aber sie ist noch immer sehr unregelmäßig und auch keine Garantie für eine mögliche Schwangerschaft. 

Mehr fällt mir momentan nicht ein, aber ehrlich gesagt reicht mir das auch vollkommen!! Ohne meine gerade im Kopf herumschwirrenden negativen Gedanken liest es sich vermutlich nur halb so schlimm und ich würde vielleicht wirklich sagen, dass es mir gut geht. Aber da die Gedanken und Empfindungen nun mal da sind, bin ich geneigt dazu zu sagen, dass es mir gerade eher bescheiden geht!




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